Wirklich fair ?
Mit dieser Zertifizierung soll sichergestellt werden, dass die Arbeitspraktiken des Produzenten ethisch vertretbar sind (z.B. keine Kinderarbeit) und dass andere Vorgaben eingehalten werden (z.B. die Zahlung eines gerechten Lohns). Dazu gehört u.a., dass der Kakaobohnen Käufer ein sogenanntes "Fairtrade Minimum" von 2.400 $ (≈ 2.100 Euro) für eine Tonne Kakao an den Produzenten bezahlt. Dieser Preis geht an den Verkäufer (idealerweise der Kakaobauer direkt, meistens die lokalen Handelsorganisationen). Liegt der Weltmarktpreis über den 2.400 $, erhält der Bauer kein zusätzliches Geld, sondern es ist der Weltmarktpreis zu bezahlen. Der Weltmarktpreis für Kakao beträgt derzeit ca. 2.000 $ (≈ 1800 Euro) pro Tonne Kakao (2022).
Dazu ist vom Käufer ein "Fairtrade Premium" Aufschlag von 5% auf den Weltmarktpreis zu zahlen. Dieser Aufschlag geht jedoch nicht an den Bauern, sondern an den "Fair Trade Community Development Fund", die dann laut der Fairtrade-Website an die Bauern ausgezahlt wird, damit sie "gemeinsam in die Projekte investieren, die sie am dringendsten benötigen" (wenn es allerdings keine relevanten "Vorzeigeprojekte" gibt, gibts auch kein Geld). 2019 war der 5%ige "Fair Trade" Aufschlag bei Kakaobohnen auf den Weltmarktpreis dann Fairtrade zu wenig und hat Ende 2019 die Zuzahlungssumme für den Käufer erhöht. Es gibt nun aktuell keine prozentuale Zuzahlung sondern eine Pauschale von 300 US-$ für 1.000 kg Bio-Kakaobohnen. Das entspricht in etwa 260 €.
Bislang hat der Bauer also nur etwas davon bei Fairtrade mitzumachen wenn der Weltmarktpreis unter dem Fairtrade Minimum liegt bzw. so hoch ist, dass er seine Fairtrade Lizenzgebühren auch bezahlen kann.
Der Fairtrade-Anteil beträgt bei einer 100g Tafel Milchschokolade somit ungefähr ≈ 1 Cent ! (vorausgesetzt 100% des Kakaos ist Fairtrade - ist es die Mindestanforderung von 20%, dann liegt dieser Anteil bei nur 0,2 Cent pro 100g Tafel).
"Wenn der Fairtrade Anteil nur € 0,01 pro Tafel beträgt, warum ist die Schokolade dann soviel teurer?"
Das liegt z.B. an den nicht unerheblichen jährlichen Lizenzgebühren, die der Produzent (z.B. der Kakaobauer - ja auch der; obwohl der ja unterstützt werden soll) und Kakaobohnen-Käufer (Schokoladenhersteller) an die Fairtrade Dachorganisation "TransFair" zahlen müssen. Dazu kommen "Kontrollgebühren", die an die vorgeschriebene, Fairtrade-eigene Kontrollorganisation namens "FloCert" (Fairtrade Labelling Organisation) zu zahlen sind (Fairtrade verdient also an den jährlichen Lizenzgebühren und an den Kontrollgebühren). Nicht zu vernachlässigen ist der nicht unerhebliche administrative Aufwand für Produzenten und Käufer.
Übrigens: wenn sich kein Käufer für den "Fairtrade" Kakao findet, kann der Kakaobauer den Kakao nur zum Weltmarktpreis verkaufen. Fairtrade gibt keine Abnahmegarantie. Trotzdem muss der Kakaobauer die jährlichen Gebühren an Fairtrade und TransFair bezahlen.
Die Lösung
Viele bekannte Schokoladenhersteller (u.a. Zotter, Peru Puro, Pacari) haben Fairtrade deshalb bereits den Rücken gekehrt oder verzichten bewußt gleich ganz auf eine Zusammenarbeit (z.B. Original Beans, Meybol, Friis-Holm, etc). Sie arbeiten lieber direkt mit den Kakaobauern zusammen, deren Plantagen sie persönlich kennen; oder beziehen ihre Kakaobohnen über darauf spezialisierte Händler. Aufgrund der Möglichkeiten durch das Internet und den heutigen weltweiten Internet- und Reiseverbindungen ist das inzwischen für jeden und einfach möglich. (Lesen Sie zu diesem Thema auch den Spiegel-Artikel "Echt fair?" u.a. über Meybol Cacao und Zotter).
Für die Verarbeitung des Kakaos nach den Wünschen des Schokoladenherstellers erhalten die Kakaobauern dann auch das Geld, von dem sie wirklich leben können. Schokoladenhersteller wie Zotter, Meybol, Original Beans, Friis-Holm, etc. zahlen dem Bauern einen garantierten Preis (aktuell ca. 5.000 $ pro Tonne Kakao). Direkter und fairer geht‘s nicht - und das ohne Lizenzgebühren! Wir unterstützen diese Bemühungen und kennzeichnen deshalb diese Schokoladen auf unserer Seite mit Hinweisen zu "Direct Trade" und "Direct Cacao".
Peru Puro Schokolade und das System Fairtrade
Bericht über Fairtrade mit Dr. Arno Wielgoss vom Schokoladenhersteller Peru Puro (ab Minute 7:44)
Rainforest Alliance & UTZ
Auch UTZ und Rainforest Alliance (2018 fusioniert) betreiben ebenfalls nur ein Zertifizierungssiegel. Auch sie kaufen oder handeln keine Waren. Kakaobauern können mit den Siegeln werben, wenn sie sich an deren Schulungen beteiligen (und ggf. dafür bezahlen). Ob die Bauern die in den Schulungen vermittelten Inhalte, z.B. zur Produktionssteigerung oder zur Vermeidung von Kinderarbeit auch umsetzen, bleibt ihnen überlassen und wird nicht nachhaltig kontrolliert. Finanzielle Unterstützung an die Bauern gibt es auch nicht.
Stiftung Warentest bescheinigte diesen Siegeln im Test nur eine „mittlere Aussagekraft“ und den „geringsten Anspruch“ ! Beide Siegel werden in der Industrie als "Minimal" oder "Billig" Siegel bezeichnet.
"Warum werben denn so viele mit Fairtrade-Logo oder UTZ-Logo, wenn es doch nicht hilft?"
Kurze Antwort: Ein gutes Image! Viele Verbraucher sind vom Gedanken eines fairen Handels überzeugt und denken das Fairtrade dafür etwas gutes tut. Das nutzen inzwischen viele industrielle Hersteller um ihre Produkte, die häufig von minderer Qualität sind, in ein positives Licht zu rücken. Wußten Sie, dass wenn (z.B. im Müsli) nur eine Zutat im Fairtrade System gehandelt wurde (also 1 Zutat von allen Zutaten, und die zu 20%), auf der Verpackung das Fairtrade-Logo aufgedruckt werden kann?
Fazit:
Wenn Sie Fairtrade Schokolade oder Produkte mit UTZ Label nur aufgrund der Logos kaufen (weil Sie vielleicht denken, Sie tun etwas Gutes) zahlen Sie möglicherweise unnötig viel Geld, denn Sie bezahlen für ein Lizenzsystem: den Zertifizierungsaufwand, die Zertifizierungsfirmen und der Bürokratie-Aufwand (nochmal: Fairtrade ist eine gewinnorientierte Firma). Die wollen ja bezahlt werden. Die Bauern in den Ursprungsländern haben - anders als es suggeriert wird - finanziell wenig bis nichts davon.
